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Gesucht: Vater fürs Vater-Kind-Zelten

Unser Sohn geht in einen sehr tollen Kindergarten. Die Erzieher*innen sind nett, lustig und kreativ. Das Leitungsteam überlegt sich immer wieder tolle Ausflüge und Aktivitäten. Das Essen wird frisch und lecker vor Ort gekocht. Und – für uns besonders wichtig – auf die Frage von anderen Kindern, warum unser Sohn denn zwei Mamas hat, wird von allen Erwachsenen kindgerecht erklärt, dass es eben ganz unterschiedliche Familien gibt. 

Nun, diese Kita organisiert seit vielen Jahren aber auch ein jährliches Vater-Kind-Zelten (wenn gerade nicht Corona ist). Ja, genau, so habe ich auch geguckt, als ich den Aushang das erste Mal im Kindergarten entdeckt habe. Klang eigentlich alles ganz spaßig und abenteuerlich: gemeinsam Stockbrot über dem Feuer rösten und dann auf dem Außengelände der Kita zelten. Einziges Problem: Jedes Kind sollte samt Vater zum Event anreisen. 

Diskriminierung auf mehreren Ebenen

So toll unsere Kita auch ist, hier war nun also unsere erste Diskriminierungserfahrung als Regenbogenfamilie im Kindergartenumfeld. Unser Sohn hat davon erstmal nichts mitbekommen. Wir waren am Wochenende des Vater-Kind-Zeltens glücklicherweise sowieso anderweitig verplant. Ich bin mir auch sicher, dass die Kita mit diesem Event sicher kein Zeichen gegen Regenbogenfamilien setzen wollte. Dennoch ist die alleinige Existenz des Vater-Kind-Zeltens diskriminierend und zwar gleich auf mehreren Ebenen:

  1. Kinder, die keinen Vater in ihrem Leben haben sind erstmal vom Vater-Kind-Zelten ausgeschlossen und werden sehr direkt darauf hingewiesen, dass sie etwas nicht haben, was das vom Kindergarten definierte Norm-Kind vorweisen kann: einen Vater. Dabei geht es übrigens nicht unbedingt nur um die Kinder lesbischer Regenbogenfamilien, das kann zum Beispiel genauso Kinder alleinerziehender Mütter betreffen.
  2. Der Gedanke hinter diesem Event ist (wie mir die Kita-Leitung später erklärte), auch die Väter endlich mal in den Kindergarten-Alltag zu integrieren. Und zwar mit Feuer, Bier und Würsten, damit sie auch wirklich Spaß dran haben. Ja, auch in unserer Kita sind an den Elternabenden mehr Mütter als Väter da und es sind vor allem die Mamas, die in Teilzeit arbeiten. Ja, bei vielen Familien sind die Mütter involvierter in den Kita-Alltag. Aber auch so mancher Vater irrt tagtäglich auf der Suche nach verlorenen Gummistiefeln durch die Kita und baut nach Feierabend Matschküchen für die Kinder. Allen Vätern pauschal zu unterstellen, sie bräuchten ein Motivationsbier am Lagerfeuer, um sich für den Kita-Alltag ihrer Kinder zu interessieren, spricht ebenfalls nicht wirklich für Offenheit abseits altbekannter Stereotypen.

Natürlich stand ich einen Tag nachdem ich über den Aushang zum Vater-Kind-Zelten gestolpert bin bei der Kita-Leitung auf der Matte und habe die oben aufgeführten Punkte freundlich vorgetragen. Der wichtigste Punkt für mich: Ich möchte nicht, dass mein Sohn von etwas ausgeschlossen wird – nur weil er zwei Mütter hat. Einen Lösungsvorschlag hatte ich auch in der Tasche. Warum nicht das Event genau so belassen und in ein Eltern-Kind-Zelten umbenennen? Dann können sich die Kids einfach überlegen, welches Elternteil mal ein bisschen mehr von der Kita sehen soll und bestimmt wird das Lagerfeuer auch noch spaßig, wenn ein paar Frauen dabeisitzen.

Wir wollen mitgedacht werden

Die Kita-Leitung zeigte sich verständnisvoll, aber nicht so verständnisvoll, dass sie ein so wichtiges und traditionsreiches Event gleich umbenennen wollte. Das sei ein wichtiges Element der ganzen Kita-Strategie und für die Väter sei es unglaublich wichtig, auch mal unter sich zu sein. Und ganz sicher kenne unser Sohn doch irgendeinen Mann – ein Onkel vielleicht? – den er mitbringen könnte?

 

Ich denke, ich muss nicht weiter ausführen, warum ich mit dieser alternativen Lösung nicht wirklich zufrieden war. Natürlich kennt unser Sohn andere Männer, damit ist das Problem dieses Events aber nun wirklich nicht vom Tisch. Ich ging immerhin mit dem Gefühl, für meine Familie eingestanden zu sein, aus dem Gespräch – und mit dem Wissen, dass ich spätestens beim nächsten Vater-Kind-Zelten wieder bei der Kita-Leitung auf der Matte stehen würde.

Zu einem erneuten Vater-Kind-Zelten kam es zunächst wegen Personalmangel, dann wegen Corona bisher nicht. Zu Gesprächen zwischen mir und der Kita-Leitung durchaus. Manchmal waren sie erfolgreich, manchmal nicht. Immer aber haben sie mir gezeigt: Unsere Familie ist vielleicht keine spektakuläre Kuriosität mehr. Von Familienkonstellationen abseits der heteronormativen Vater-Mutter-Kind(er)-Norm haben viele schon mal gehört. Diverse Familienmodelle im Alltag gleichberechtigt zu behandeln fällt vielen aber immer noch extrem schwer. Regenbogenfamilien wurden in diesem Fall vielleicht nicht aktiv ausgegrenzt, aber genauso wenig wurden sie aktiv mitgedacht. Und das läuft manchmal auf dasselbe raus.  

Es gibt wirklich noch richtig viel zu tun für uns Regenbogenfamilien – auf der großen, politischen Ebene, aber auch in den kleinen, alltäglichen Situationen. 

geschrieben von Alex Schmidt

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Kommentare: 1
  • #1

    Toni (Freitag, 02 April 2021 21:00)

    Danke für das Teilen deiner Erfahrung. Wir haben ähnliche Erfahrungen in unserer Kita gemacht. Es sind viele, kleine Schritte im Alltag nötig, damit wir Regenbogenfamilien mitgedacht werden. Wir bleiben dran!