Sichtbarkeit

„Sie zahlen getrennt?“ Diese Frage wird uns häufig von Kellern und Kellnerinnen gestellt, wenn meine Frau und ich mit unseren zwei Kindern im Restaurant gegessen haben und bezahlen wollen. Ich frage mich, wird Hetero-Paaren diese Frage beim Bezahlvorgang wohl ebenfalls regelmäßig gestellt? Vermutlich nicht.

Ist es die Schere in meinem Kopf, die mich vorschnell Diskriminierung als lesbisches Paar mit Kindern wittern lässt? Vielleicht erspüre ich Diskriminierungen, wo gar keine sind? Weil sich die Leute in Wirklichkeit gar keine Gedanken machen?

Gedankenlosigkeit bedeutet in unserem Fall aber: Nicht wahrgenommen werden als Familie. Egal, ob im Restaurant, im Hotel, im Urlaub oder in der Straßenbahn - wir werden nicht als Familie wahrgenommen. Unseren Kindern und meiner Frau und mir werden die vielfältigsten Verbindungen unterstellt: Unser Kinder werden beispielsweise als Cousin und Cousine angesprochen, wir Mütter werden damit zu Schwestern oder Schwägerinnen. Oder meine Frau und ich werden als heterosexuellen Freundinnen wahrgenommen, die mit ihren Kindern unterwegs sind, wahrscheinlich alleinerziehend, denn warum sollten wir sonst zusammen (ohne unsere Männer!) in Urlaub fahren oder Essen gehen?

Wie man es auch dreht und wendet, es ist ein alltäglicher Kampf um Sichtbarkeit. Auch die schwul-lesbische Szene hat ihre Wahrnehmungsfilter und -schablonen. Wenn meine Frau und ich mit unseren Kindern unterwegs sind, nehmen uns auch Lesben häufig nicht als Lesben wahr. Auf dem CSD-Straßenfest werfen uns einige Lesben und Schwule schräge Blicke zu, die uns vermitteln, dass wir mit unserem Kinderwagen hier wohl fehl am Platz  sind.  Vor ein paar Jahren war dies noch extremer als heute. Weil wir Regenbogenfamilien immer mehr werden - und damit auch sichtbarer in der Szene - haben sich die Filter und Schablonen schon geweitet. Bis zur vollständigen und selbstverständlichen Sichtbarkeit ist allerdings noch ein Stück Weg zurückzulegen.

Was könnten wirksame Strategien gegen die Unsichtbarkeit sein? Regenbogenfähnchen am Kinderfahrradanhänger und Regenbogen(familien)aufkleber auf dem Familienauto sind kleine Zeichen. Auch das Kölner CSD-Straßenfest und die Parade könnten um einiges kinderfreundlicher werden und Regenbogenfamilien zu mehr Sichtbarkeit verhelfen. Der LSVD Baden-Württemberg hat es dieses Jahr vorgemacht: Hier sorgte eine Bimmelbahn für Regenbogenfamilien auf dem CSD in Stuttgart für Begeisterung. Eine super Idee für den Kölner CSD 2016: Die Emma, die grün-gelbe Bimmelbahn der Stadt Köln, fährt in der CSD Parade mit, besiedelt von einem bunten und lauten Haufen von Regenbogenfamilien, die in die Menge winken und diese besondere Fahrt genießen! Das wäre Sichtbarkeit auf eine schöne Art und Weise.

geschrieben von Familie Regenbogenbunt


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Kommentare: 1
  • #1

    Anja (Mittwoch, 26 August 2015 12:09)

    Mir kommt das bekannt vor. Im Urlaub auf dem Campingplatz schlugen zufällig zwei Lesben ihr Zelt neben uns (2 Mütter, 2 Kinder) auf. Wir erkannten die beiden auf den 1. Blick als Lesben und begrüßten sie freudig. Trotz Regenbogenfahne an unserem Zelt brauchten die beiden einen Tage bis sie uns als Lesben mit Kindern identifizierten. Erst als wir die Regenbogen-Frühstücksbrettchen herausholten, waren sie sich sicher, dass wir zur "Familie" gehören. Über unser Regenbogen-Fähnchen hatten sie sich zwar Gedanken gemacht, hatten aber gerätselt, ob nicht einfach nur unsere Kinder die Fahne gut finden. :-)