Medien, in denen vielfältige Familienformen und geschlechtliche Identitäten thematisiert werden, sind (nicht nur) für Eltern, Kinder und Jugendliche aus Regenbogenfamilien wichtig. Durch sie wird der Blick auf verschiedene Formen von Elternschaft, Familie und Identität erweitert und es werden Möglichkeiten zur Orientierung und zum Austausch geschaffen.
Die Anzahl der Bücher für Kinder und Jugendliche rund um Diversity ist in den vergangenen Jahren erfreulicherweise größer geworden. Aber wie sieht es mit digitalen Angeboten zum Themenfeld Familienvielfalt und geschlechtliche Identität aus? Ich will wissen, welche Webseiten werfen einen erweiterten Blick auf Familie und bringen dies in kindgerechter Sprache zum Ausdruck? Welche Informationen finden Kinder, wenn sie mehr über Regenbogenfamilien erfahren wollen? Und welche Online-Anlaufstellen gibt es für Jugendliche, die sich über geschlechtliche Identität Gedanken machen? Ich habe mich auf die Suche begeben.
Kindgerechte Informationen zum Thema Regenbogenfamilien
Ich starte bei der Kinder-Suchmaschine blinde-kuh.de. Ich gebe „Regenbogenfamilie“ in das Suchfeld ein und erhalte nur zwei Treffer. Das ist wenig. Der erste Link führt in die ZDF-Mediathek zu dem Film „Jane - Meine Regenbogenfamilie“. Der zweite Treffer führt mich auf die Webseite frieden-fragen.de. Hier wird die Frage einer 13-Jährigen Wie ist es in einer Regenbogenfamilie zu leben? wie folgt beantwortet:
Wenn zwei Männer oder zwei Frauen als gleichgeschlechtliches Paar gemeinsam mit ihren Kindern in einer Familie zusammen lebt, wird diese Familie oft Regenbogenfamilie genannt. Für Kinder, die in einer Regenbogenfamilie leben ist es wie in anderen Familien mit einem Vater und einer Mutter zu leben. Der Unterschied ist nur, dass entweder die Mutter mit einer Frau oder der Vater mit einem Mann zusammen ist und lebt.
Kurz und knapp, aber es ist ein Anfang. Ich suche weiter. Was sagt fragFinn, eine weitere Suchmaschine für Kinder? Wieder gebe ich "Regenbogenfamilie" ins Suchfeld ein. Wow, hier ist die Ergebnisliste schon wesentlich umfangreicher! Ich klicke auf hanisauland.de, der Kinderseite der Bundeszentrale für politische Bildung, und erfahre mehr über den Christopher Street Day und seinen Ursprung. Und im Lexikon unter dem Begriff Familie lese ich:
Familie ist vielfältig
Es gibt unterschiedliche Familienformen. Die meisten Kinder leben mit ihren verheirateten Eltern zusammen, es gibt auch Eltern, die nicht verheiratet sind.
- Vater und Mutter können sich gemeinsam um die Kinder kümmern oder alleine.
- Manche Kinder wohnen mit zwei Vätern, andere mit zwei Müttern zusammen.
- Meistens sind die Erwachsenen mit den Kindern verwandt, aber das muss nicht so sein.
Wie auch immer die Familie aussieht - wichtig ist, dass die Erwachsenen gut für die Kinder sorgen.
Das klingt schon sehr nach Familienvielfalt! Familienvielfalt wird in kindgerechter Sprache erklärt. Weiter geht´s auf meiner digitalen Reise. Ich komme auf die Webseite vom Deutschen Kinderhilfswerk Kindersache.de Hier erfahre ich im Bereich Wissen:
Familie geht auch anders
Weil ein Regenbogen so schön bunt ist, wird er auch als Symbol für Vielfalt und Toleranz gesehen. Darum nennt man Familien, in der zwei Frauen oder zwei Männer ein Kind oder mehrere Kinder aufziehen, Regenbogenfamilien. Die Eltern sind homosexuell, also lesbisch oder schwul. Doch wie bekommen sie gemeinsam Kinder?
Manchmal bringt ein Partner ein Kind aus einer früheren Beziehung mit. Es gibt aber auch andere Wege, ein Kind zu zeugen. Die Familien können ganz verschieden aussehen: Einige Kinder haben dann zwei Mamas, andere zwei Papas und eine Mama.
Das hört sich doch auch schon vielversprechend vielfältig an. Als Nächstes lande ich bei einen Beitrag auf duda.de, der Kindernachrichten-Seite des Kölner Stadtanzeigers Wie ist es zwei Mama zu haben? Dieser erzählt vom Alltag von Marlene und Frida, die zwei Mamas haben. Für die beiden ist das ganz normal. Wenn die beiden sich mit ihren Freundinnen vergleichen, die eine Mutter und einen Vater haben, können sie keinen Unterschied feststellen. "Eines finden die beiden aber nervig: In der Schule fragen die anderen immer, wie man zwei Mütter haben kann, sagt Marlene. Die Kinder erklären dann, dass sie einen Vater haben, aber mit zwei Müttern aufwachsen. Weil eine Mitschülerin aber keine Ruhe geben wollte, haben sie im Unterricht ein Buch über Regenbogenfamilien gelesen. Danach war es besser."
Langsam komme ich in Fahrt und klicke mich weiter in der Trefferliste. Checker Tobi auf KIKA macht den Familien-Check: Tobi besucht und interviewt verschiedene Familien, ab Minute 20 auch eine Regenbogenfamilie mit zwei Mamas und einer Tochter. In diesem Beitrag wird tatsächlich auch die Insemination, kindgerecht erklärt. Was mir allerdings auffällt, ist die doppelt gestellte Frage nach dem fehlenden Papa. Zwei Mamas scheinen nicht zu reichen. Da fehlt doch was! In dem Interview kommt für mich deshalb ein defizitärer, heteronormativer Blick auf Kinder mit zwei Mamas zum Ausdruck.
Mein Fazit aus der Reise durch die Kinderseiten: Zum Thema Regenbogenfamilien können Kinder tatsächlich einige Informationen im Internet finden. Das ist gut zu wissen. Wobei, so ganz rund ist das vielfältige Familienbild für mich noch nicht. Regenbogenfamilie wird in allen Beträgen als Zwei-Mama- oder Zwei-Papa-Familie beschrieben. Ich vermisse weitere bunte Familien, wie Mehr-Eltern-Familien, Ein-Eltern-Familien und Familien mit Trans*-Eltern(teil). Bei meiner Recherche bin ich auf keinen Beitrag gestoßen, der Familie über zwei Elternteile hinaus denkt. Schade.
Beratungsangebote für Kinder und Jugendliche
Für ältere Kinder und Jugendliche ist das Finden der eigenen geschlechtlichen Identität und sexuellen Orientierung wichtig. Dazu sind sie auf Informationen und Angebote angewiesen, die die Gender-Thematik offen angehen und Perspektiven auch außerhalb der Heteronormativität eröffnen. Daneben haben alle Kinder und Jugendliche Fragen, Sorgen und Krisen. Das ist normal und gehört zum Erwachsenwerden dazu. Gerade in der Corona-Zeit, in der andere Anlaufstellen nicht leicht zu erreichen sind, ist der Weg ins Netz der naheliegende.
Ich frage mich, welche Beratungs- und Informationsangebote gibt es dort für Heranwachsende? Ich begebe mich also wieder auf die Suche, dieses mal nach Online-Anlaufstellen für Kinder und Jugendliche, denen es nicht gut geht, die in einer schwierigen Situation sind oder Ängste haben. Mein Schwerpunkt liegt dabei auf Angeboten, an die sich queere, lesbische, schwule oder trans* Jugendliche wenden können.
Ich lande auf der Kinderseite vom WDR und KIKA Du bist kein Werwolf. „Über Leben in der Pubertät“ zeigt kurze Clips zum Thema körperliche Veränderungen, Tipps zu ersten Dates, Selbstbewusstsein und Verliebtsein. Leider sind die Clips ausnahmslos aus einer heteronormativen Perspektive gedreht. Automatisch wird davon ausgegangen, dass alle Jugendlichen heterosexuell sind. Doch dann finde ich unter dem Menüpunkt „Wolfman hilft“ immerhin einen Beitrag zu Verliebt in den besten Freund und ein unterhaltsames Video zur Frage "Bin ich schwul". Lesben und Trans* werden knapp und bündig angesprochen im Lexikon.
Gut gefällt mir auf der Seite des SWR Kindernetz das Video zur Frage "Liebe oder Freundschaft? Lesbisch oder schwul!? Der schwule Moderator interviewt eine lesbische junge Frau, die über ihr Coming-out erzählt. Das sind Erfahrungen aus erster Hand, authentisch und auf Augenhöhe vermittelt.
Ich reise weiter und finde die Nummer gegen Kummer. Das bundesweite Kinder- und Jugendtelefon bietet kostenlos und anonym Beratung per Telefon, Mail und Chat. Ein sinnvoller Service! Auch finde ich eine Beratungsplattform von Jugendlichen für Jugendliche: juuuport.de. Hier geht es vor allem um Themen rund um digitale Medien, wie beispielsweise Cyber-Mobbing oder -Grooming, Sexting und (digitale) Einsamkeit. Beratungsanfragen können per Website-Formular oder per WhatsApp gestellt werden. Themen rund um sexuelle Identitäten werden jedoch weder bei der Nummer gegen Kummer noch auf juuuport explizit erwähnt.
Jugendliche, die Beratungsbedarf zum Thema geschlechtliche Identität haben, sind bei der LSBTIQ*-Jugendberatung vom Anyway Köln somit besser aufgehoben. Für queere Jugendliche bietet das Anyway Beratung am Telefon, per E-Mail oder Videochat an.
Du hast Fragen zu deiner geschlechtlichen Identität oder fühlst dich mit deiner sexuellen Orientierung unsicher? Dich beschäftigt dein Coming-out vor Familie, Freund:innen oder in Schule, Job und Studium? Du hast Nachfragen zu deiner Transition und würdest das gern für dich klären? Unser Beratungsteam ist für dich da.
Doch was bedeutet LGBTIQ* eigentlich? Und wofür steht das Sternchen? Diese Fragen beantwortet ein toll gemachtes Erklärvideo auf der Webseite des Projektes "RISE - Jugendkulturelle Antworten auf islamistischen Extremismus". Der Clip erklärt in einfacher, klarer Sprache, was unter sexueller und geschlechtlicher Vielfalt verstanden wird und welche Unterscheidung es zwischen biologischem- und sozialem Geschlecht gibt.
Zu guter Letzt entdecke ich die Webseite der Queeren Jugend NRW. Dort finde ich alle Jugendtreffs und Fachstellen in NRW, an die sich queere Jugendliche wenden können. Ich bin positiv überrascht darüber, wie viele Jugendtreffs es in NRW gibt. Toll, dass sich so viele junge Ehrenamtliche und Fachkräfte dafür einsetzen, dass lesbische, schwule, bisexuelle, queere, trans* und inter* Jugendliche stärkende Räume erfahren können.
Da ist noch Luft nach oben
Leicht ermüdet von meiner Reise durch das Internet lehne ich mich zurück und atme erst mal tief durch. Ich bin auf einigen Seiten gelandet, die mir meine anfänglichen Fragen beantwortet haben. Ich habe herausgefunden, es gibt Webseiten, die Infos in kindgerechter Sprache zum Thema Regenbogenfamilien und Familienvielfalt bereithalten. Sie sind alledings rar gesät und müssen gesucht und gefunden werden.
Auch für Jugendliche, die sich Gedanken um ihre geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung machen, gibt es Infos und Anlaufstellen. Diese haben aber quantitativ wie qualitativ ebenfalls noch Luft nach oben. Zu häufig wird auf Beratungsportalen für Jugendliche unausgesprochen von der Norm ausgegangen, die da heißt: Jugendliche sind heterosexuell und sie sind sich ihrer geschlechtlichen Identität sicher.
Aber immerhin, es gibt einige Seiten zu entdecken und ich denke und hoffe, es wird in den nächsten Jahren mehr davon geben. Denn für die heutige Generation junger Menschen ist die bewusste Auseinandersetzung mit geschlechtlicher Vielfalt und sexueller Orientierung sowie Familienvielfalt ein selbstverständlicher Bestandteil ihres Erwachsenwerdens und damit auch zusehends ein selbstverständlicher werdender Bestandteil der Medienvielfalt.
geschrieben von Birgit Brockerhoff
Dieser Beitrag wird veröffentlicht in Kooperation mit SCHAU HIN! Was Dein Kind mit Medien macht. SCHAU HIN! ist eine Initiative zur Sensibilisierung über die Mediennutzung von Kindern.
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Bea (Mittwoch, 19 Mai 2021 11:26)
Danke, dass du uns an deiner Recherche hast teilhaben lassen. Finde ich ein wichtiges Thema und durch den Artikel bin ich auf einige Angebote aufmerksam geworden, die ich bisher nicht kannte. Es ist gut zu wissen, dass es im Internet Infos gibt, die für Kinder Informationen so aufbereiten, dass sie diese gut verstehen. Bei TikTok und YouTube ist das ja nicht unbedingt der Fall. ;-)