Und was man stattdessen sagen könnte
„Das kannst du dann deinem Papa geben ...“
Dieser Satz kommt in jeder Menge Varianten daher. Am aller häufigsten, wenn eine von uns Mamas allein mit unserem Kind unterwegs ist. Dann fällt, je nach Situation, gerne mal ein „Na, das kannst du dann deinem Papa zeigen“ oder „Da freut sich der Papa später bestimmt auch“.
Erste letzte Woche waren wir zwei Mamas gemeinsam im Kindergarten. Das Abschlussfest der Vorschulkinder stand auf dem Plan – mit Kuchen, Liedern und Abschiedsgeschenken für die großen Kinder. Meine Frau zog also mit dem Kind los, um das Geschenk entgegenzunehmen. Die Erzieherin übergab es dem Kind im Gewusel mit den Worten: „Wir machen gleich erst noch ein Foto, gib die Sachen bitte erstmal deiner Mama oder deinem Papa.“ Eine Erzieherin, die unseren Sohn seit vier Jahren begleitet, die mich und meine Frau jahrelang fast jeden Tag im Kindergarten ein- und ausgehen gesehen hat. Vier Jahre. Fünf Tage die Woche. Geht's noch?
Aber auch Menschen, die unsere Familienkonstellation nicht kennen, haben kein Recht anzunehmen, dass unser Kind einen Vater hat. Woher das kommt, ist mir klar. Heteronormative Vater-Mutter-Kind(er)-Familie sind die Norm, die fest in den Köpfen so vieler verankert ist. So fest, dass nicht für einen Moment in Frage gestellt wird, dass ein Kind auf jeden Fall eine Mutter und einen Vater hat. Und dafür soll man dann meist auch noch uneingeschränkt Verständnis haben. Ist doch nicht so schlimm.
Doch, es ist schlimm. Es ist schlimm, wenn mein Kind in unzähligen Alltagssituation immer wieder ganz nebenbei daran erinnert wird, das er etwas nicht hat, wovon jeder irgendwie ausgeht, dass er es haben sollte. Es ist schlimm, wenn meinem Kind suggeriert wird, dass da was fehlt. Es ist schlimm, wenn von meinem Kind erwartet wird, dass er das wegsteckt. Weil ist ja nicht böse gemeint.
Das muss aufhören. Wenn du nicht weißt, wie die Familienkonstellation anderer Menschen aussieht, dann frag nach oder sag nichts. Einfach anzunehmen, dass jedes Kind einen Vater und eine Mutter hat, ist nicht okay.
Was wäre eine gute Alternative?
Das ist wirklich ganz leicht: Geh einfach nicht davon aus, dass du weißt, wer die Bezugspersonen des Kindes sind. Sag doch einfach: „Hast du jemanden, der das mal kurz halten kann?“ oder „Wem willst du das denn später zu Hause zeigen?“. Damit kannst du nie falsch liegen.
„Wer von euch ist denn die richtige Mama?“
Ja, entschuldige mal, was genau verstehst du denn unter richtig wenn es um Mutterschaft geht? Klingt nach einer sehr tiefgründigen und vielschichtigen Frage? Für viele ist es das tatsächlich nicht. Richtig ist ganz oft einfach nur ein Synonym für biologisch. Wer diese Frage stellt, möchte in der Regel wissen, wer von uns das Kind ausgetragen hat. Dass es eventuell keine von uns beiden sein könnte – na, soweit wollen wir nun wirklich nicht denken, das wäre zu verrückt.
Ich denke, ich muss an dieser Stelle nicht erklären, dass es keine richtigen und keine falschen Mütter gibt. Dass Mutterschaft nicht nur biologisch, sondern vor allem sozial ist. Dass Mutter ist, wer ein Kind begleitet und sich als Mutter fühlt. Die allermeisten, die diesen Artikel lesen, werden das bereits wissen. Meine Frau und ich wissen das. Trotzdem ist diese Frage immer wieder eine Erinnerung, dass so viele Menschen, denen wir begegnen, das nicht so sehen. In den Augen vieler ist mindesten eine von uns eine Mogel-Mutti, weil sie das Kind nicht geboren hat. Wer das Kind tagtäglich in den Schlaf begleitet, dafür sorgt, dass es genug zu essen hat und aufgeschürfte Knie heile pustet ist egal.
Das muss aufhören. Wenn du nicht weißt, ob eine von uns oder welche unser Kind geboren hat, dann wahrscheinlich, weil es für dich völlig irrelevant ist. Vermutlich bist du kein*e enge*r Freund*in, keine Bezugsperson unseres Kindes, nicht eine von unseren Frauenärztinnen, niemand für den die Antwort auf diese Frage wichtig ist. Diese Frage sollte also einfach ganz verschwinden.
Was wäre eine gute Alternative?
Was willst du wirklich rausfinden? Vielleicht möchtest du eigentlich fragen: „Wie habt ihr euch die Elternzeit aufgeteilt?“ oder „War eine von euch auch schon mal schwanger und kann mir sagen, ob es normal ist, alle zehn Minuten aufs Klo zu rennen?“. Dann nimm einfach eine von diesen Alternativen.
„Und wie hat das bei euch funktioniert? Also mit dem Kinderkriegen?“
Zeugungsgeschichten sind kein beliebtes Smalltalk-Thema in eurem Umfeld? Dann seid ihr vermutlich keine Regenbogenfamilie. Es ist unglaublich kurios, wie schnell alle Hemmungen fallen, wie flott es keine Privatsphäre mehr gibt, sobald die Familienkonstellation nicht heteronormativ ist. Es klingt vielleicht sehr plakativ und übertrieben, aber tatsächlich habe ich schon ein Gespräch mit einer mir bis dahin völlig unbekannten Person geführt, bei dem auf das erste „Hallo“ sofort folgte: „Wie hat das mit dem Kinderkriegen bei euch funktioniert?“ Noch vor einer Na-wie-gehts-Floskel!
Kinderplanung ist so ein persönliches und individuelles Thema, das für viele Menschen – egal ob hetero oder queer – sehr emotional aufgeladen ist. Manche hätten gerne ein Kind und es klappt nicht, andere haben ein Kind, aber traumatische Erfahrungen gemacht. Manche stehen ganz anders zum Thema Kind als der/die Partner*in, anderen ist der Weg zum eigenen Kind zu steinig. Als außenstehende Person kann man niemals wissen, wie genau es bei jemand anderem aussieht. Daher sollte man sicherheitshalber einfach nicht nachfragen. Denn aus dem Nichts in die Privatsphäre vorzupreschen, kann schnell richtig verletzend werden.
Das muss aufhören. Wenn du jemanden gerade erst kennenlernst oder einfach nur ein lockeres Small-Talk-Gespräch führst, dann verkneif dir einfach die Frage nach Kinderwunsch, Zeugungsgeschichten und ähnlichem. Auch wenn es sich um ein queeres Paar handelt und du einfach neugierig bist. Queere Paare sind nicht dafür zuständig, dich aufzuklären und deinen Horizont zu erweitern. Da kann dir Google ganz gut helfen.
Was wäre eine gute Alternative?
Zu diesem und ähnlichen Sätzen gibt es keine gute Alternative. Es gibt nur viele schlechte Momente, um sie auszusprechen und wenige, in denen es okay ist. Wenn du ein vertrautes Gespräch mit Freund*innen zum Thema Kinderwunsch führst, dann kann diese Frage vielleicht mal passend sein. Aber niemals gegenüber Fremden, denen du eben zum ersten Mal begegnet bist.
geschrieben von Alex Schmidt
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