Dieses Jahr war alles anders zum ColognePride. Kein mehrtägiges, großes Event im Sommer, kein Straßenfest rund um den Heumarkt, keine Parade mit Millionen von Besucher*innen, keine Sponsoren, keine Partymeile. Stattdessen gab es eine Fahrradsternfahrt im Oktober mit einer Abschlusskundgebung an der Deutzer Werft. Nicht nur ein gutes alternatives (Schutz-)Konzept in Zeiten von Corona, sondern vielleicht auch eine zukunftweisende Perspektive für die kommenden CSD´ s.
Wir Regenbogenfamilien waren zunehmend präsent und sichtbar auf den CSD-Paraden der letzten Jahren. Wir waren dabei mit Kind und Kegel, mit Bimmelbahn und Rikschas. Das war schön. Das war wichtig. Keine Frage. Doch dieses Jahr standen die Organisator*innen des ColognePride vor der großen Frage, alles absagen oder die Parade so organisieren, dass sie den Corona-Schutzmaßnahmen genügt und niemanden gesundheitlich gefährdet. Sie entschieden sich für Zweiteres und wir finden, das war eine gute Entscheidung! Es ist uns allen großartig gelungen, mit Abstand, mit Masken und mit viel Disziplin diesen Tag zu einer denkwürdigen Demonstration unserer Sichtbarkeit und unserer politischen Forderung zu machen.
CSD in Zeiten von Corona?
CSD und Corona passt das? fragten Viele und schüttelten die Köpfe. Doch auch und gerade in 2020 ist unsere sichtbare Präsenz wichtig. In Polen, in Ungarn, in Russland, in den USA und in vielen weiteren Ländern drehen sich die Uhren gerade zurück. Die Rechte von LSBTQ* -Menschen werden abgeschafft, Menschenrechte werden beschnitten, Menschen müssen um ihre Freiheit oder sogar um ihr Leben fürchten. Sie brauchen unsere Solidarität. Und auch in Deutschland haben wir Regenbogenfamilien noch immer nicht die gleichen Rechte wie andere Familien, wie andere Eltern. Genau deshalb war es gut und wichtig, dass wir - trotz Corona - auf die Straße gegangen sind.
Back to the roots
Für mich war die Teilnahme an der Fahrrad-Sternfahrt ein sehr besonderes, mich berührendes Erlebnis. Es hatte fast schon etwas friedliches den Ring hinunter zu radeln auf meinem geschmückten Rad. Keine Menschenmassen am Strassenrand, dafür ein paar wenige, dafür um so solidarischere Zuschauer*innen an Fenstern und auf dem Bürgersteig. Die Meisten wussten wahrscheinlich nicht mal, dass heute die CSD-Parade stattfindet und, dass der bunte Tross an Fahrradfahrer*innen, den sie gerade sehen, die diesjährige CSD-Demo ist. Mir hat das gefallen. Es erinnerte mich an die ersten CSDs in Köln, damals Anfang der 90er Jahre. Wir waren wenige, aber wir waren wild entschlossen, uns Gehör zu verschaffen. So fühlte ich mich auch jetzt auf dem Fahrrad. Keine laute BämmBämm Musik, keine riesigen LKWs mit Sponsorenschildern, keine Tourist*innen, die ihre Handys auf uns richten, um ein paar Schnappschüsse von schrillen Schwulen zu machen. Stattdessen nur unsere Fahrradklingeln und ein paar Pappschilder mit politischen Forderungen und Aussagen. Das war ein gutes Gefühl! Und ja, ich will mehr davon!
Auch die zentrale Abschluss-Veranstaltung auf der Deutzer Werft war beeindruckend. Sehr gut organisiert mit abgetrennten Bereichen für die einzelnen Fahrrad-Gruppen, Abstandsstrichen auf dem Boden und deutlichen Aufforderungen, die ganze Zeit Maske zu tragen und nicht in mehr als 5-Personen-Gruppen beieinander zu stehen. Ein ganz großes Dankeschön an die Organisator*innen!!!
Auf den (kleinen) Bühnenwagen gab es kein buntes Unterhaltungsprogramm für die Massen, stattdessen eine kurze musikalische Einlage von "Abends mit Beleuchtung", danach eindrückliche politische Ansprachen von LSBTQ*-Organisationen mit einer deutlichen Präsenz von lesbische Belangen durch die Ladys vom Dyke*March. Und das war gut so!
Mehr davon
Aber auch ein paar nicht so schöne Umstände müssen benannt werden: Viele konnten nicht teilnehmen, da sie gesundheitlich oder aufgrund ihres Alters zur Corona-Risikogruppe gehören. Diese Menschen fehlten! Auch Regenbogenfamilien waren nicht viele gekommen. Das ist schade. Ich hoffe, dass im nächsten Jahr wieder mehr Regenbogenfamilien, mehr Ältere, mehr gesundheitlich Beeinträchtigte an der Parade teilnehmen können und das nicht, weil wir dann alle geimpft sein werden (das ist ein anderes Thema), sondern weil Corona dann hoffentlich nicht mehr unser aller Leben beeinträchtigt.
Was ich aus dem Kölner CSD 2020 mitnehmen ist ein Bedürfnis von "Mehr davon". Mehr politische Botschaften, mehr kleinere Events. Von mir aus kann es gern im nächsten Jahr wieder eine Sternfahrt geben. Auch der Platz in Deutz am Rhein ist ein guter Ort, um final zusammenzukommen. In diesem Sinne: Bleibt gesund und see you in 2021!
geschrieben von Birgit Brockerhoff
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