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Mama ist nicht Mami

Als ich letzten Donnerstag meinen zweijährigen Sohn vom Kindergarten abholte, platzte ich ungewollt in eine skurrile und gleichzeitig dramatische Szene hinein: Alle Kinder der Bären-Gruppe weinten! Sophie hatte sich in die Hose gemacht, Paul hielt sich schmerzerfüllt den Kopf, weil er mit einem Baustein geschlagen wurde, und mein Sohn heulte, weil er gerade eine ordentliche Standpauke von seiner Erzieherin kassierte. In der Hand hielt er den Baustein ...

Alle anderen Kinder weinten aus Solidarität zu Opfer, Täter oder dem Mädchen mit der nassen Hose. Ich blieb in der Tür stehen, um die Erzieherin die Situation regeln zu lassen. Ungünstiger Weise hatte mein Sohn mich sofort gesehen und wollte so schnell wie möglich zu mir. Nun folgte ein seltsames Gespräch, das durch die Kakophonie von weinenden Zwei- bis Fünfjährigen untermalt wurde.

Erzieherin: „Du darfst zu Mami gehen, wenn du dich bei Paul entschuldigt hast.“

Weinender Sohn: „MAMI?!? ABER ICH WILL ZU MAMA!!!“

Erzieherin: „Ja, du darfst ja auch zu Mami, wenn du dich entschuldigt hast.“

Inzwischen völlig verzweifelter weinender Sohn: „ICH WILL ZU MEINER MAAAAMMMMAAAA!!!“

Und so weiter.

Meine Frau und ich sind Mütter von zwei Kindern: Unsere Tochter ist fünf, der kleine Baustein-Schläger zwei. Sie nennen meine Frau Mami und mich Mama. Für Menschen, die nicht in Regenbogenfamilien leben oder die wenig Berührungspunkte mit ihnen haben, scheint diese Unterscheidung oft nicht von großer Bedeutung zu sein. Ob nun Mama oder Mami – das ist doch irgendwie Dasselbe. Eben nicht!

Ja, in Hetero-Familien werden den Elternteilen geschlechtsspezifische „Nick-Names“ zugeschrieben. Ziemlich easy! Auch wenn das Kind seinen Vater zu Hause am liebsten Papi nennt, so begreift es doch, wer gemeint ist, wenn Außenstehende von „Papa“ sprechen. Keine Verwirrung, keine Tränen.

In Familien mit zwei Müttern oder zwei Vätern gibt es dieses Selbstverständnis nicht. Unsere Tochter ist längst alt genug, um mit erhobenem Zeigefinger zu korrigieren, wenn jemand statt Mama Mami sagt: „Du würdest zu deinem Papa ja auch nicht Mama sagen!“

Das Missverständnis in der Bären-Gruppe hat mir wieder einmal gezeigt, wie wichtig es ist, in KiTa, Grundschule und Co. offen und kommunikativ mit dem Thema „Regenbogenfamilie“ umzugehen. Ob und wie intensiv das Personal geschult wurde, wissen wir als Eltern nicht. Daher habe ich mir angewöhnt, viel über unsere Familie zu sprechen und zu signalisieren, dass Fragen zu unserer Familienkonstellation herzlich willkommen sind.

Nachdem die Erzieherin das Baustein-Debakel geklärt hatte und mein Sohn endlich in die Arme seiner Mama (nicht Mami!) durfte, nahm ich sie auch noch einmal beiseite, um ihr unser „Wording“ zu erläutern. Sie war mega verständnisvoll und sehr dankbar – schließlich war die Situation für sie ebenfalls schwierig.

 Mal sehen, wie es nun weitergeht. Die Bausteine wurden auf jeden Fall erst einmal weg geschlossen.

 

geschrieben von Madita McCool  I www.mamamccool.de  I www.instagram.com/maditamccool

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